Bei bestem Sommersonnenwetter radelten ca. 60 Touries vom Quartier, der Waldorfschule Magdeburg, durch die Landeshauptstadt, querten die Elbe und folgten dann dem (rechtsseitigen) Elbradweg in Richtung Süden. Schon bald nach Verlassen des Siedlungsgebietes wurden sie mitten ins Thema des Exkursionstages geführt: Naturschutz.
Radeln durch die Elbauen – eine großartige Natur- und Kulturlandschaft zeigt sich hier mit Solitärbäumen, oftmals Eichen, die aus den weiten Wiesenflächen emporragen, ab und an kleinere Gehölze oder gar hoch aufgewachsene Waldstücke und dazwischen: extensive (also nicht intensive) Landwirtschaft zur Heugewinnung, aber tw. auch zum Getreideanbau. Diese offene Landschaft bleibt nur offen, wenn diese bewirtschaftet und damit offen gehalten wird. Und die Auenwälder bleiben nur, wenn sie hinreichenden Wasserzugang haben.
Am Petziener Wehr gab es einen Infostopp. Dieses technische Bauwerk wurde 1875 fertiggestellt. Bei Elbhochwasser werden die Schotten gehoben. Der Elbstrom kann dann einen Teil der Wassermassen in den Elbumflutkanal, die „Alte“, einst mäandrierende Elbe bringen und damit die Gefahr einer Überflutung der niedrig gelegenen Teile Magdeburgs erheblich mindern, was aber bei Extremhochwassern wie 2013 „lediglich“ eine Senkung des Elbpegels um ca. 50 cm ausmachte. Ganze Stadtteile von Magdeburg mussten damals geräumt werden. Dieses europaweite Extremwetterereignis zeigte die schon jetzt eintretenden fatalen Folgen des Klimawandels. Zugleich wurde damit deutlich, dass die Elbe mehr „Bett“ braucht, also auch die weiten Auenwälder und die alten Elbarme.
Die Radroute führte dann nah an die Elbe heran. An einer gut zugänglichen Uferstelle erwartete Ernst Paul Dörfler die Touries, ein Experte für die Ökologie der Elbauen und ein vielgefragter Referent und Buchautor. Im Verlagstext zu „Aufs Land: Wege aus Klimakrise, Monokultur und Konsumzwang“ (München: Hanser, 2021) liest Frau und man dazu: „Wir haben den Blick für das Wesentliche verloren: unser Wohlergehen und das der Natur. Wir leben in engen Städten. Wir arbeiten viel, um immer mehr zu konsumieren. Leidenschaftlich und kompetent ruft der Ökologe Ernst Paul Dörfler dazu auf, endlich auszubrechen und nachhaltige Lösungen zu finden. Der Weg dorthin führt aufs Land. Als unbequemer Umweltschützer schon in der DDR vermittelt er glaubhaft wie kein Zweiter, was freies und selbstbestimmtes Leben bedeutet und wie es gehen kann. Wer weniger braucht, muss weniger arbeiten und verdienen, schont zugleich die natürlichen Lebensgrundlagen, lebt zufriedener und gesünder.“
Bei beträchtlicher Sommerhitze lagerten die Touries am Elbstrand im Schatten der dort wachsenden Pappeln und erfuhren, dass die Elbe die größten Auenflächen Europas an ihren Ufern hat.
Gefährdet wird diese einzigartige Landschaft durch das noch immer in Planung befindliche Vorhaben, die „Bundeswasserstraße Elbe“ zu einem frachtschiffgängigen Fluss zuzurichten, was eine erhebliche Vertiefung erforderlich machte, die dann wiederum den eh schon niedrigen Grundwasserspiegel der Auenlandschaft noch weiter senkte und damit das Austrocknen der Auenwälder forcierte. Was in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Die Elbe ist ein überwiegend ungestauter Fluss, der im Sommer Niedrigwasserstände von weniger als einem Meter hat. Eine Frachtschifffahrt auf diesem Fluss oberhalb von Geesthacht – hier ist das im Flusslauf erste Stauwerk errichtet worden – zu ermöglichen, erforderte immense Investitionen und schädigte die Flusslandschaft massivst.
Bei hochsommerlicher Hitze radelten die Touries nun in Richtung Barby weiter. Die meisten querten die Elbe über die einstmalige Eisenbahnbrücke, die nach der sog. Wende nicht wieder in Funktion gebracht worden ist.
Die Alternativroute führte per Schiff in Barby über die Elbe – mit Nutzung der Gierseilfähre. Auf der linken Elbeseite nah beim Fähranleger hat das Elbe-Saale-Camp seinen Standort und erwartete die Tour de Natur als Gäste.
„Seit 1993 führen Mitglieder dieses Aktionsbündnisses im Mündungsbereich der Saale ein mehrtägiges internationales Camp durch, um auf die unumkehrbaren Folgen der geplanten (und zum Teil bereits realisierten) Baumaßnahmen hinzuweisen. Das Aktionsbündnis zählt zu den Mitbegründern des Netzwerkes Flusslandschaften Elbe-Saale-Havel-Oder.“ (Text von dem Homepage des Camps).
Ernst Paul Dörfler lud Touries und Camp-Aktivisten zu einer kleinen vogelkundlichen Exkursion ein. In unmittelbarer Nachbarschaft des Camps wohnt eine fünfschnäbelige Storchenfamilie auf ihrem Horst und schaute gelassen auf die selbst unten im Schatten noch schwitzenden Menschen hinab.
Die Ausführungen von Ernst Paul Dörfler zum „Liebesleben der Vögel“ – so der Titel seines just erschienenen Buches (München: Hanser) spendeten Trost und Sorge zugleich. Den Störchen und großen Raubvögeln (ganz in der Nähe befindet sich auf einem Hochspannungsmast das Nest einer Seeadlerfamilie) darf monogames Verhalten oder zumindest „Horsttreue“ und nachfolgend Wiederbeginn der Horstgemeinschaft mit dem letztjährigen Horstabschnittsgefährten attestiert werden. Bedenklicher stimmen die Nachrichten über die kleinen Gefiederten: „So leben Vögel weit weniger monogam, als häufig angenommen, und der Klimawandel verstärkt diese Tendenz sogar noch: Extreme Schlechtwetterlagen beflügeln den Partnerwechsel unter Vögeln.“ (Verlagstext)
Wams Küche versorgte die Touries mit einer schmackhaften Mittagsmahlzeit. Die Bäckerin des Camps hatte leckere Kuchen vorbereitet, so dass reichlich geschlemmt werden konnte.
Jutta Röseler, die sich seit vielen Jahren als Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins Flussregenpfeifer für das alljährliche Elbe-Saale-Camp engagiert, begrüßte die Touries und schilderte die Aktivitäten des Camps, das in seinem Programm einiges zu bieten hat.
Dann wurde es Zeit, die Rückfahrt anzutreten. Leider zog ein Gewitter auf, und die nochmals 35 km per Rad zurückzulegen, das war die eine Möglichkeit, von der – dem Regen und Sturm trotzend – die meisten Touries Gebrauch machten. Nicht unwesentlich trug zur Stimmungsverbesserung der Reggae-Sound bei, den Ivo und Celina vom Lastenrad aus in die Radlergruppe diffundieren ließen. Und die anderen nutzten die Regionalbahn; Bahnhöfe gab’s mehrere an der Strecke.
Die Rückfahrt der Touries erfolgte – wie standardmäßig bei der Tour de Natur – als angemeldete Demonstration, muss also mit den Ortspolizeibehörden abgestimmt und von diesen genehmigt und begleitet werden. Dieser durchaus hilfreiche Service – manche Autofahrer:innen verstehen besser, dass eine große (= lange) Radlergruppe nicht einfach überholt werden kann (und darf), wenn sie auf ein solches Dienstfahrzeug am Ende der Tour blicken – fiel angemessen aus: Es reichte ein Polizei-Bulli als Schlussfahrzeug. Die Tour sichert an Kreuzungen/Einmündungen und unterwegs im Seitenbereich durch ihre eigenen Ordner und das hat sich wieder mal bewährt.
Text: Karl-Heinz3; Fotos: Simone, Ommo, KH3
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