Freitag, 31. Juli 2020, erster Tag der Corona-Alternativtour: Hohenfelden – Campingplatz Meyersgrund (47 km, 300 hm)

Das Corona-Alternativ-Camp fand in Hohenfelden statt: vom 25.-30. Juli 2020. Übernachtet wurde auf dem dortigen Campingplatz bzw. am nahegelegenen Schloss Tonndorf. Hier gab es in den Tagen zuvor u.a. einen Workshop zum Lastenradbau, der großes Interesse fand. Das fertige Rad wurde erprobt (s. Foto) und dann der Hausgemeinschaft Schloss Tonndorf übergeben.

Erprobung des am Schloss Tonndorf gebauten Lastenrades

Die meisten Teilnehmer des Alternativ-Camps schlossen sich der hier am 31. Juli beginnenden Corona-Alternativtour an, die bestes Sommerwetter nutzen konnte. Am späten Freitagvormittag ging es also weiter und hinunter in das Tal der Ilm, um dort den bekannten Ilmtal-Radweg zu radeln. Dieser Radfernweg folgt dem weitgehend unregulierten und somit mäandernden Fluss und zeigt im unteren Verlauf Auenlandschaften und Wiesenwirtschaft; gelegentlich sind alte Mühlen zu sehen und an einigen Stellen auch Fördertürme der einstmals bedeutenden Salinen.

 

Die Corona-Alternativtour unterwegs auf dem Ilmtal-Radweg

Der ADFC hat für Radfernwege ein Zertifizierungsangebot realisiert, das nicht nur radlerische und landschaftliche Kriterien umfasst, sondern auch Merkmale der touristischen Infrastruktur. Man kann dies auch als Vermarktungsstrategie verstehen und somit als kritisch einschätzen. Jedenfalls sind dem Ilmtal-Radweg 4 Sterne zugewiesen worden; damit rangiert der Radweg in der höchsten Kategorie.
Bei Kranichfeld schwenkte die Corona-Alternativtour von der Landstraße auf den Ilmtalradweg ein – und fortan ging es flussaufwärts auf die Quellregion des ,Flüsschens‘ zu (diese Bezeichnung entspricht hier eher dessen Breite), d.h. auf den Thüringer Wald. Flussabwärts ist Weimar gelegen, an dessen Ilmufern der Geheime Rat Johann Wolfgang Goethe seinerzeit einen Landschaftspark gestalten ließ, in dem er ein Gartenhaus während der Sommerzeit und gern in Gemeinschaft mit Christiane Vulpius bewohnte.

Noch weiter flussabwärts durchfließt die Ilm Apolda und Bad Sulza, um dann in die Saale einzumünden. Ab Bad Sulza begleiten Weinberge das Flusstal.
Von Kranichfeld kommend, ist das Städtchen Langewiesen die nächste interessante Station der Tour. Dort gab es einstmals eine beträchtliche Salzsoleförderung, deren Fördertürme als Industriedenkmäler noch zu sehen sind. Die Sole wurde in Rohrleitungen nach Stadtilm transportiert, einer einstmals bedeutenden Stadt dieser Region, was an der Größe und den Renaissance-Schaugiebeln des Rathauses noch erkennbar ist. Das Ilmtal wird hier von der Bahnstrecke Arnstadt-Saalfeld mit einem imposanten Viadukt gequert, der Radweg führt darunter durch.

Vor Stadtilm legte die Tour noch eine Pause ein – und zwar an der Senfmühle Kleinhettstedt. Hier lud ein Café mit Restauration zum Verweilen ein. Und die technischen Einrichtungen dieser im 19. Jhd. zur industriellen Produktion ausgebauten einstmaligen Wassermühle konnten besichtigt werden. Besonders eindrucksvoll: die 1892 installierte Lokomobile, eine stationäre Dampfmaschine zum Antrieb der Mahlaggregate.

 

Abfahrt nach Pause an der Senfmühle Kleinhettstedt

1972 erfolgte die Enteignung des Mühlenbetriebs und die Gründung der „VEB Mühle Drei-Gleichen-Arnstadt“. Nach der sog. Wende verknüpfte die Treuhandanstalt die Rückübertragung des Mühleneigentums mit der Begleichung von Altschulden des VEB, was den Vorbesitzern nicht möglich gewesen sein soll. Somit wurden Teile der technischen Ausstattung verkauft und die Immobilie späterhin zum Einbau von Ferienwohnungen und der Einrichtung einer Senfmühle verwandt, deren Senfkörner aus ökologisch wirtschaftenden Betrieben in Thüringen stammt.

In der Nähe des Dorfes Dörnfeld machte die Tour nochmals eine Pause unter schattenspendenden Bäumen und im Uferbereich der Ilm, nahebei der Förderturm der einstmaligen Saline.

Weiter ging es in Richtung Ilmenau. Die letzten Wegkilometer konnte dabei die stillgelegte und zum Radweg umgebaute Bahnstrecke Großbreitenbach-Ilmenau geradelt werden. Für ein Tourmitglied mussten die 4 km bis Ilmenau gelaufen werden, da an einer Steigung mit einem Knall der Hinterreifen seines Klapprades zerplatzt war. Zum Glück im Unglück konnte per Telefon in einem Fahrradgeschäft in Ilmenau sowohl ein passender Mantel als auch Schlauch gefunden werden, und Lastenradfahrer B. konnte das nicht mehr fahrfähige Klapprad aufladen. Anders als bei den sonstigen Tour de Natur-Fahrten sind bei dieser Corona-Alternativtour keine Transportkapazitäten für beschädigte Fahrräder und nicht mehr radelfähige Menschen verfügbar. Aber es gibt diverse Experten unter den Teilnehmern, die technische Hilfe leisten können.

In Ilmenau fand eine Mittagspause mit Einkaufsgelegenheit im Bioladen und Supermarkt statt. Die Stadt liegt sehr schön am Hang des Thüringer Waldes, kann sich Universitäts- und Goethestadt nennen und hat mehrere Bahnhöfe. Die 1879 eröffnete Verbindung von Plaue (bei Arnstadt) nach Themar (Werra) ist noch heute die einzige über den Thüringer Wald führende Bahntrasse, die allerdings südlich des Rennsteig-Bahnhofs außer Betrieb genommen worden ist. Der Abschnitt von Ilmenau hinauf zum Rennsteig hingegen ist reaktiviert worden, weil die touristische Nachfrage erheblich ist, per Bahn auf den Kamm des Thüringer Waldes und somit zum Rennsteig zu gelangen. Am Wochenende fahren viermal pro Tag die Züge über Ilmenau weiter bis Rennsteig Bahnhof.

Hinter Ilmenau steigt der Ilmtalradweg an. Entschädigt für die Anstrengungen des Bergaufradelns wird man durch eine herrliche Wegführung: Es geht durch schattige Wälder in halber Höhe dem Tal folgend hinauf.
Die Übernachtung fand auf dem Campingplatz Meyersgrund statt, der sehr schön gelegen ist und genügend Platz bot für die Zelte der Alternativ-Tour. Auch auf diesem Campingplatz haben die Wohnmobilreisenden und Wohnwagenurlauber sowie die Dauercamper die Mehrheit. Über heikle Begegnungen mit den Tourteilnehmern ist nichts bekannt. Man traf sich abends im Biergarten und genoss offensichtlich mit ähnlichem Vergnügen den regionalen Gerstensaft.

Zelteareal auf dem Campingplatz Meyersgrund