Sonntag, 28. Juli 2019, neunter Tag der TdN 2019: Schwerin – Wismar (48 km)

 

Wie kann ein Frühstückstisch auf der Tour de Natur aussehen? An diesen Tag zum Beispiel so:

 

 

Frühstück zubereitet von Fläming Kitchen

Und wie erholen sich die Tourordner während eines Pausenstops? Zum Beispiel so:

 

Pause

Bei sonnigem, aber nicht zu heißem Wetter startete die Tour de Natur in Richtung Norden; von Schwerin aus in Richtung Wismar. Der erste Infohalt fand am Bahnhof von Bad Kleinen statt. Markus informierte darüber, dass hier viel Geld ausgegeben worden ist, um den schönen, alten Bahnhof abzureißen und neue Bahnsteige und Überwege zu den Bahnsteigen dieses Kreuzungsbahnhofs zu bauen. Der neue Bahnhof ist unlängst in Betrieb genommen worden.

Die sich hier kreuzenden West-Ost- (Lübeck – Güstrow) und Nord-Süd-Bahnstrecken (Ludwigslust – Wismar) bildeten schon zu dem recht frühen Bauzeitraum der Strecken (Einweihung 1848) ein zentrales Eisenbahnkreuz. Zur DDR-Zeit war die West-Ost-Verbindung relativ bedeutungslos, jedenfalls in Richtung Lübeck. Die Nord-Süd-Strecke gehörte jedoch zu den wichtigen Bahnverbindungen in der Republik, für die auch eine Elektrifizierung vorgenommen wurde.

Nach der sog. Wende änderten sich die Verkehrsströme und die West-Ost-Verbindung wurde sehr viel stärker frequentiert. Der mit zwei Doppelbahnsteigen ausgerüstete neue Bahnhof von Bad Kleinen wirkt etwas überdimensioniert. Fernzüge halten hier so gut wie gar nicht. Aber immerhin gibt es die Regionalexpressverbindungen.

Die entgegen manchen Protesten – die Tour de Natur beteiligte sich seinerzeit auch daran – dennoch gebaute A 20 verläuft weitgehend parallel zu der Eisenbahntrasse. Für Erstgenannte wurde unverhältnismäßig viel mehr Geld ausgegeben als für eine sog. Ertüchtigung der West-Ost-Bahnstrecke erforderlich gewesen wäre. Gewiss hat es einige Streckenverbesserungen gegeben, zudem ist die Strecke durchgehend elektrifiziert, aber im Sinne einer Verkehrswende müsste hier sehr viel mehr investiert werden.

 

Infohalt zur Verkehrsplanung am Bahnhof von Bad Kleinen

 

Zur Mittagsrast hatte die Kommune Olgashof eingeladen. Nach der Mahlzeit gab es eine Führung über das Gelände und interessante Informationen über die Entstehungsgeschichte dieses Projekts. Seit 1997 besteht diese Kommune, in der sich Menschen zusammengefunden haben, die gemeinsam leben und jedem Gruppenmitglied dabei die größtmöglichen Entfaltungsmöglichkeiten geben möchten.

Das Gut ist nach dem Ende des zweiten Weltkriegs von der sowjetischen Sektorenverwaltung enteignet worden. Zur DDR-Zeit wurde hier ein sog. Jugendwerkhof eingerichtet, von dem heute gesagt werden kann, dass dies eine der berüchtigten Zwangseinrichtungen der DDR war.

Nach der Wende konnte das gesamte Areal inklusive der Gebäude von den Gründungsmitgliedern der Kommune als GmbH gekauft werden. Jedes erwachsene Kommunemitglied wird auch zu einem GmbH-Mitglied und als Mitbesitzer in das Grundbuch eingetragen. Ein Solidaritätsfond ist von Freunden aufgelegt worden, um für Bauvorhaben eine Zwischenfinanzierung bereit zu stellen. Bankschulden hat die Kommune nicht; Eintrittseinlagen gibt es gleichfalls nicht. Die Kosten für Wohnen inkl. Ernährung sind sehr niedrig und ermöglichen unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten jedem Menschen, der sich in diese Gruppe einleben möchte und kann und den die Gruppe gern bei sich haben möchte, mitzumachen.

Hier leben – mit einigen Wechseln über die vergangenen zwanzig Jahre – 15 Erwachsene und 8 Kinder. Das alte Gutshaus wird als Wohngebäude genutzt und ist just um ein Stockwerk erweitert worden. Jedem Erwachsenen steht mindestens ein Zimmer zur Verfügung, den älteren Kindern auch. Ein großer Wohnküchenbereich ist im Erdgeschoss eingerichtet worden; an jedem Werktag wird abwechselnd für die gesamte Kommune gekocht. An jedem Dienstagabend findet ein Plenum statt, auf dem alle anstehenden Entscheidungen und aufgekommenen Probleme erörtert werden.

Die hier lebenden Erwachsenen sind alle selbstständig berufstätig. So gibt es drei Architekten, auch Tischler, Holzbildhauer, Maler, Grafikdesigner und Bäcker. In den Wirtschaftsgebäuden können verschiedene Gewerke arbeiten und Lagerung betreiben. Eine Backstube sorgt für das tägliche Brot. Die Nahrungsmittel werden auf befreundeten Biohöfen eingekauft. Besonders enge Verbindungen bestehen z. B. zum Biohof Medewege, den die Tour de Natur gestern besucht hatte. Ein Tagungshaus wird in einem Nebengebäude betrieben.

 

Rundgang über das Gelände der Kommune Olgashof

 

Die Nachmittagsstrecke führte weiter durch die durchaus hügelige Landschaft.

 

Unterwegs auf Mecklenburgs Alleen

 

Als Tagesziel wurde am späteren Nachmittag die Hansestadt Wismar erreicht. Auf deren zentralem Marktplatz veranstaltete die Tour de Natur eine Kundgebung. Der Bürgermeister von Wismar, Thomas Beyer, begrüßte die Tourteilnehmer. Er schilderte in einem kurzen Beitrag, wie sich die Stadt Wismar um eine stärkere „Privilegierung“ von Fußgängern und Radfahrern im Stadtverkehr bemüht.

Anschließend informierte Matthias über die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll. Die Zahlen, die er nannte, haben sicherlich auch manche Zuschauer in den umliegenden Cafés nachdenklich gestimmt. Es ist tatsächlich schon so weit, dass sich auf deutschen Ackerböden mehr Mikroplastik befindet als in den damit erheblich verschmutzten Weltmeeren. Ja, unser Plastikmüll hat uns trotz dessen Verschickung nach Fernost auf vielen anderen Wegen wieder erreicht und bedroht unsere Gesundheit und die der Pflanzen und Tiere.

Angesichts dieser Tatsachen kann es das „Weitermachen“ nicht mehr geben. Wir alle müssen unsere Konsumgewohnheiten, was den Verbrauch von Verpackungen und Kleidungsstücken betrifft, massiv ändern. Der Bürgermeister von Wismar informierte an dieser Stelle darüber, dass die Stadt Wismar auf all ihren Veranstaltungen kein Einweggeschirr mehr verwendet – und dass er darauf setzt, dass die Gastronomie der Stadt sich diesem Vorbild anschließen wird.

Zum Abschluss brachte Christian mit Gitarrenbegleitung einen Aktivistensong der Umweltbewegung zu Gehör. Er hat mehrere Bücher zu Abfallwirtschaft und Umweltschutz publiziert.

 

Kundgebung der Tour de Natur auf dem Marktplatz von Wismar

Anschließend radelten die Tourteilnehmer in das sieben Kilometer entfernte Dorf Zierow. In Wismar fand sich kein Unterkunftsangebot für die Tour de Natur, das auch nur annähernd bezahlbar gewesen wäre, was auch dem Bürgermeister auf der Kundgebung so mitgeteilt wurde, der sich dazu nicht näher äußern wollte. Aber sein Nachbar, der Dorfbürgermeister von Zierow, lud die Tour ein, in der Sporthalle und auf dem weitläufigen Außengelände zu nächtigen. Einige Tourteilnehmer radelten am Abend noch an den Ostseestrand, waren aber etwas enttäuscht, dass dort wenig Wassertiefe geboten wurde und viel Mückenangriff abzuwehren war.

 

Ein Tourteilnehmer blickt auf die Ostseesonne

 

Die Ostseeabendsonne blickt auf die Tour de Natur