Samstag, 20. Juli 2019, erster Tag der TdN 2019: Exkursionstag in Hamburg (38 km)

Die Tour de Natur startet in diesem Jahr in Hamburg, an einem herrlich sonnigen Sommertag mit  ca. 100 Teilnehmern, von denen einige schon am Vortrag angereist sind. Am ersten und zweiten Tag beschäftigt sich die Tour de Natur mit den verkehrs- und umweltpolitischen Problemen im Stadtstaat Hamburg bzw. in dieser Metropolregion.

Als erste Station ­­und Attraktion auch für die Tour de Natur wurde die Elbe durch den Alten Elbtunnel unterquert, ein 1911 eröffnetes Bauwerk, das seinerzeit den Hafenarbeitern einen raschen und witterungsunabhängigen, weil die Hafenfähren ersetzenden Zuweg zu den Arbeitsplätzen insbesondere auf den damals noch vorhandenen großen Werften ermöglichte. Der nur über Treppen und Fahrstühle zugängliche Tunnel war seinerzeit eine technische Sensation, die für sehr viel Geld  (15 Mill. Euro) von der Hamburg Port Authority saniert worden ist und heutzutage Radfahrern und Fußgängern eine recht praktische Elbquerung ermöglicht.

Radfahren und Fahrrademonstration unter der Elbe – im Alten Elbtunnel

Ein Infostopp am Kraftwerk Moorburg war nur in einiger Entfernung davon zu realisieren. Gegen diesen Kraftwerksneubau und dessen Betrieb hat es massiven Widerstand gegeben und dieser besteht weiter fort. Das Steinkohlekraftwerk Moorburg wurde 2015 im Hafenbereich entgegen vielen Protesten und unter kompromisshafter Entscheidung einer Senatorin von der Fraktion der Grünen in Betrieb genommen.

Der umweltpolitische Skandal dieses von Vattenfall betriebenen Kraftwerks besteht nicht nur darin, dass hier klimaschädliche Stromproduktion fortgesetzt wird, sondern dass hier obendrein ausschließlich Importkohle aus Übersee verbrannt wird, die wiederum unter erheblichen Umweltbelastungen und fatalen Arbeitsbedingungen (insbesondere in Kolumbien) abgebaut und mit hohen Transportkosten und entsprechenden Klimaschäden angeliefert wird. Zudem verursacht selbst die begrenzte Kühlwasserentnahme aus der Elbe erhebliche Folgeprobleme, insbesondere in trockenen Sommermonaten wie diesen, in denen der Fluss eh wenig Wasser führt und die Wasserversorgung des Überseehafens kritisch wird.

Aktion gegen Kohleverstromung in der Nähe des Kohlekraftwerks Moorburg

Die Teilnehmer der Tour de Natur lernten dann den Stadtteil Wilhelmsburg kennen, in dem zahlreiche umweltpolitische Initiativen tätig sind, von denen sich mehrere Vertreter der Tour anschlossen und Informationen gaben. Vor der Kreuzkirche in Kirchdorf begrüßte die Pastorin Anja Blös die Tourteilnehmer und sorgte für deren Erfrischung mit Getränken. Die Tourteilnehmer konnten hier erfahren, dass quer durch den Stadtteil Wilhelmsburg die Verbindungsautobahn A26 geplant wird, die für die Stadtteilbewohner eine nicht zumutbare Lärmbelastung und einen unsinnigen Flächenverbrauch bringen würde. Für die Innenstadt Hamburgs entstünde zudem eine massive Zuführung von Pendlerverkehr, was das schon bestehende Verkehrschaos dort nochmals steigern würde.

Infostopp zum geplanten Autobahnbau der A26 an der Kreuzkirche

Weiter ging es zum Deich an der Norderelbe mit Blick auf die Autobahnbrücke der A1. Schon seit Jahren wird angemahnt, dass in dieser Region keine Elbquerung für Radfahrer und Fußgänger möglich ist und stattdessen kilometerlange Umwege in Kauf genommen werden müssen. Der „Bundesradweg Nr. 1“ sollte hier auf einer parallel errichteten Brücke die Norderelbe queren und damit endlich die Hintanstellung des Radverkehrs korrigieren.

Aktion am Deich der Norderelbe: Hier fehlt eine Brücke für Radler und Fußgänger

Die Mittagspause fand auf dem sog. Energieberg statt. Was für eine Bezeichnung für eine frühere ,wilde‘ Mülldeponie, in die auch Industrieabfälle verbracht wurden! Erst nach massivsten Bürgerprotesten sorgte der Hamburgische Senat dafür, dass die hier austretenden Gifte, insbesondere Dioxin, das wohl gefährlichste Umweltgift, als Gefährdung identifiziert und deren Nicht-Übertritt in das Grundwasser jedenfalls mittelfristig gestoppt wird. Heute erinnert eine Ausstellungshalle an die Entstehung und die teilweise „Sanierung“ dieser Deponie. Ein auf Stelzen geführter Rundweg ermöglicht die Begehung bzw. Beradelung dieser Anhöhe mit ihren höchstschädlichen Inhaltsstoffen, die nicht beseitigt, sondern durch Abdichtung lediglich am Ort gehalten werden.

Rundweg auf dem sog. Energieberg

Wams Fläming Kitchen versorgte die Tourteilnehmer mit einer Mahlzeit. Danach radelte die Gruppe hinein in die Innenstadt – zum Rathaus. Hier veranstaltete die Tour de Natur eine Kundgebung zur Umwelt- und Verkehrspolitik in Hamburg, an der sich insbesondere die Aktion „Verkehrswende Hamburg“ und die aus Wilhelmsburg stammende Aktion „Zukunft Elbinsel“ beteiligten. So erläuterte Manuel Humburg eindrucksvoll, welch einen Unsinn an bedarfsinduzierender Verkehrsplanung das Autobahnprojekt A26, die sog. Hafenquerspange, darstellt (Oliver Schirg, 2016: "Die irre Vision von einer Hamburger Stadtautobahn."). Dem Vorbild von Berlin folgend, läuft derzeit in Hamburg die Initiative „Radentscheid“, die den Senat dazu veranlassen soll, endlich ein hinreichend nachhaltiges Verkehrskonzept vorzulegen, das den Radverkehr massiv fördert. Bereits 13.000 Hamburger haben den Appell unterzeichnet, und es werden täglich noch mehr.

Aktion zur Verkehrs- und Umweltpolitik vor dem Rathaus in Hamburg