- Willkommen!
- Presse / Fotos
- Tour live (Blog)
- Archiv
- 2020
- 2019
- Strecke 2022
- 2018
- 2017
- 2016
- 2015
- 2014
- 2013
- 2012
- 2011
- 2010
- 2009
- vor 2009
- FÖJ
- Strecke2021
- für Aktive
- Aufs Rad setzen
- Kontakt / Impressum
- Live
Der neunte Tag der Natur war ein – hochsommerlich warmer – Exkursionstag. Die meisten Tourteilnehmer*innen schlossen sich einer mit interessanten Beiträgen ergänzten Fahrt in die Karlsruher Innenstadt an, die zu einigen bedeutsamen Orten des Wirkens und Nachwirkens von Karl Friedrich Christian Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn (* 29. April 1785 in Karlsruhe; † 10. Dezember 1851 ebenda) führte. Als historischer, lokalpolitischer und fahrradtechnischer Experte führte Martin Hauge mit kabarettistischem Humor zum Ehrengrab, zum einstmaligen Wohnhaus und zum Ehrenmal von bzw. für Karl Drais.
Für die Fortbewegung nutzte Martin Hauge seinen originalgetreuen Nachbau der Drais’schen, nunmehr 200 Jahre alten Laufmaschine, mit dem er fast 20 km/h schnell den radelnden Tourteilnehmer*innen voraus „lief“. Auf dem seinerzeitigen technischen Nachfolgemodell, dem Hochrad, waren Geschwindigkeiten dieser Größenordnung kaum zu erreichen und Abfahrten ein hochriskantes Unternehmen. Erst das Tretkurbel-Ketten-angetriebene Niedrigrad der 1880er Jahre brachte jene technische Steigerung, die noch immer die Grundkonstruktion unserer heutigen Fahrräder bestimmt und dessen Rahmen das Grundkonzept von Drais wieder aufnimmt.
Der Forstbeamte Drais erfand nicht nur das Laufrad, sondern auch das Rechnen mit zwei Grundzahlen (0,1; binäre Addition und Subtraktion) sowie eine Schnellschreibmaschine mit 4x4 Tasten sowie ein Notenschriftmaschine, die die Klaviatureingabe aufzeichnete.
Weniger bekannt ist, dass er die Badische Revolution von 1848/49 und damit die Demokratiebewegung im Deutschland seiner Zeit (Deutscher Bund) engagiert unterstützte. In Zeitungsannoncen zeigte er dies öffentlich an und unterstrich seine politische Überzeugung durch das Ablegen seines ererbten Adelstitels. Diese Aktion brachte ihm Verleumdungen und einen tätlichen Angriff ein. Karl Drais war somit mehrfach seiner Zeit voraus: als Wissenschaftler und Erfinder ebenso wie als politisch engagierter Bürger. Umso mehr erstaunte die Tourteilnehmer*innen, dass sich seine Heimatstadt Karlsruhe doch recht schwer damit tut, dass ihren weltberühmten „Sohn“ stärker zu würdigen.
Die Mittagspause fand im Botanischen Garten der seit einigen Jahren KIT (Karlsruhe Institut für Technologie) genannten, um Helmholtz-Forschungsinstitute erweiterten Universität statt. Der Essenstransport vom Quartier aus hierher wurde mit den Lastenfahrrädern bewerkstelligt – eine kleine, erfolgreiche Premiere für den Einsatz dieses umweltfreundlichen Transportmittels. Unverständlich für die Tourteilnehmer*innen: Dass das KIT beabsichtigt, den Botanischen Garten mit den Gewächshäusern und den dort herangewachsenen exotischen Pflanzen, kurzum: alles, was über viele Jahrzehnte hier gewachsen ist, aufzugeben, um hier Forschungs- und Lehrgebäude zu errichten. Eine solche Oase in der Kernstadt soll verschwinden?
Der Nachmittag und Abend im Quartier standen für Workshops und Bildungsveranstaltungen zur Verfügung. So informierte eine Lehrerin des Parzival-Zentrums über das bereits in mehreren Kriegsgebieten und in Deutschland bei schwergradig traumatisierten (Flüchtlings-)Kindern erprobte Konzept der „Notfallpädagogik“. Großes Interesse fand der Abendvortrag von Harry Bloch (Grüne) über die atomindustrielle Technologieforschung im KIT. Es ist kaum zu glauben: Im JRI (Joint Research Institute; früher: Institut für Transurane) des KIT wird die vierte, „künftige“ Generation von Atomkraftwerken entwickelt. Ziel ist es, kleine, insbesondere rasch abschaltbare Atomkraftwerke zu bauen, die relativ wenig längstlebige radioaktive Isotope produzieren – also eine in zwei zentralen Merkmalen weniger gefährliche Alternative zu den bisherigen Technologien. Der Nebeneffekt ist jedoch erschreckend: Diese Technologie generiert waffenfähiges Uran. All dies findet statt in dem deutschen Bundesland mit einer grünen Landesregierung, die diese u.a. auch mit erheblichen Plutonium-Mengen arbeitenden Forschungseinrichtungen genehmigt. Selbst auf der Ebene der schwarz-roten Bundesregierung erstaunt eine solche Lage: Immerhin hat diese den gesetzlich festgelegten Ausstieg aus der Atomenergie herbeigeführt!