Von Rastatt (Stadt der radikaldemokratischen Revolution von 1848/49) nach Karlsruhe (Stadt der Tram-Train-"Revolution" von 1992)

Tag 8 der Tour de Natur: An diesem herrlich sommerlichen Sonntag radelte die Tour de Natur von Rastatt nach Karlsruhe. Den ersten Infostopp gab es auf dem Marktplatz von Rastatt – mit Blick auf die pompöse barocke Schlossanlage, die die Markgrafen von Baden-Baden erbauen ließen. Tourleiter Markus erinnerte an die besondere Bedeutung dieses Ortes für die Entwicklung der Demokratie in Deutschland. Die Volksaufstände in Baden richteten sich gegen die Macht der regierenden Herrscherhäuser und deren Ablehnung und Niederschlagung der Demokratiebewegung im Deutschen Bund. Es waren preußische Truppen, die diese Aufstände niederschlugen. Einen bewegenden musikalischer Ausdruck der unsäglichen Unterdrückung jener Zeit trugen einige TdN-Mitglieder vor – das „Badische Wiegenlied“, dessen erste Strophe wie folgt lautet:

 

„Schlaf mein Kind schlaf leis / dort draußen geht der Preuß / Deinen Vater hat er umgebracht / deine Mutter hat er arm gemacht / Und wer nicht schläft in guter Ruh / dem drückt der Preuß die Augen zu.“

Rastatt_Marktplatzh

In den Karlsruher Vororten Ötigheim, Bietigheim und Dumersheim radelte die TdN immer wieder an einer besonderen Straßenbahntrasse und an Haltestellen vorüber. Hier verkehrt die als S-Bahn geführte Linie 2 von Rheinstetten nach Karlsruhe und weiter in Richtung Spöck. 1992 startete das Projekt „Karlsruher Stadtbahn“, in dem eine Zusammenführung von Straßenbahnen und Bundesbahnstrecken realisiert wurde (Tram-Train-System). Das Karlsruher Modell gilt noch heute als vorbildlich für die Weiterentwicklung des ÖPNV.

 

Die Mittagspause konnte in einem schattigen Waldstück auf dem Gelände des Naturfreundehauses Forchheim verbracht werden. Wams Küche lieferte ein delikates Zwei-Gänge-Menü, das auf den Bänken der sehr hilfsbereiten Naturfreunde im kühlen Schatten hoher Bäume verzehrt werden konnte.

Auf der vierspurig ausgebauten B 36 sicherte die Polizei zusammen mit den Ordnern der TdN den Radlern die rechte Fahrspur. So gelangten die 150 Teilnehmer an den Rand der Innenstadt. Dann ging es in Richtung Schloss. Der Grundriss dieser auf dem Reisbrett entworfenen Stadt spiegelt den Herrschaftsanspruch des Absolutismus wider: Die großen Straßen führen allesamt sternförmig auf das Schloss zu, in dem der Herrscher, der Großherzog von Baden-Durlach, residierte und auf „seine“ Stadt zu „schauen“ wünschte.

Karlsruhe_Schloss

Im Schlosspark lud das TdN-Orchester zu einer musikalischen Aufführung ein. Zu hören waren irische Tänze, die einige Tourteilnehmern*innen zum Mittanzen aufforderten und manche Zuhörer zu Zuschauern machte. Vorgeführt wurde auch ein Hochrad, das die Weiterentwicklung der Drais’schen Laufmaschine darstellt. Dieses erste „Fahrrad“ wurde vor 1818 – also vor zweihundert Jahren – von dem Karlsruher Forstbeamten Karl von Drais der Öffentlichkeit vorgestellt.

Eine architektonisch sehr eindrucksvolle Unterkunft erwartete die Tourteilnehmer*innen als Quartier. Im Parzival-Zentrum wurden die Turnhalle und der Gymnastiksaal sowie der Schulgarten zur Verfügung gestellt. Dieses Zentrum folgt den Grundgedanken der von Rudolf Steiner in den 1920er Jahren begründeten, sogenannten Waldorfpädagogik und umfasst allgemeinbildende, berufsorientierte (Werkrealschule) und förderpädagogischen Schulformen sowie eine Kindertagesstätte.